Die Sternen über Berlin: Ein Michelin-Stern für das Frühsammers Restaurant

Im Michelin Guide 2018 wurden wieder Sterne unter Berliner Restaurants verteilt. Sonja Frühsammer ist dabei die einzige Sterneköchin Berlins. Von insgesamt 26 Sterne in der Hauptstadt, wurde das Restaurant Frühsammers – in dem Sonja die Küchenleitung übernimmt – mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Alle anderen Berliner-Sterne wurden unter 19, von männlichen Kollegen geführten Küchen, verteilt. 19 zu eins: In wie fern widerspiegelt dieses Verhältnis die Anzahl der Frauen zu den Männern, die in der Spitzengastronomie arbeiten?

Ich wollte mehr über diese Chefköchin mit Stern wissen und habe sie in einem Interview nach ihrem Weg in die Küchenleitung und ihre Meinung zum Thema Gleichberechtigung in der Gastronomie gefragt.

Interview mit Sonja Frühsammer

„Ich glaube, ich bin Chefköchin geworden, weil ich so gerne esse.“

Wie bist du Chefköchin geworden? Bitte erzähle mir deine Geschichte.

Ich glaube, ich bin Chefköchin geworden, weil ich so gerne esse. Als ich aufgewachsen bin, habe ich abwechselnd mit meinen zwei Schwestern mittags zuhause gekocht. Das hat einen riesen Spaß gemacht. Nach dem Abitur – als ich wirklich nicht wußte, wo mein Leben so hingeht – habe ich ein paar Sachen ausprobiert und mich dann für eine Lehre in einer Siemens Kantine entschieden. Dort hatte ich vorher bei einem französischen Küchenchef gejobbt.

Während dieser Ausbildung habe ich festgestellt, dass es noch viel bessere Ausbildungsplätze und Restaurants gibt – denn bis dahin war ich nur beim Jugoslawen oder mal Pizza essen! Es war halt eine andere Zeit.
Daraufhin habe ich mich nach der Lehre in den Top Ten Restaurants der Stadt beworben. Zu jedem bin ich persönlich hingegangen. Denn inzwischen wußte ich, dass es mit meiner Lehre in einer Kantine nicht so einfach sein wird in einem Top Restaurant genommen zu werden.
Ich hatte Glück: Karl Wannemacher hat mich in seinem Sterne Restaurant Alt Luxenburg eingestellt und ich habe alles nochmal neu gelernt. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, aber ich fand es super.
Nach zwei Jahren dort habe ich ein Angebot aus dem Schwarzwald bekommen, bei Familie Sackmann zu arbeiten um noch mehr zu lernen. Kurz vorher habe ich festgestellt, dass ich schwanger bin und habe mich daraufhin entschieden in Berlin zu bleiben. Das war es dann mit meinen Erfahrungen außerhalb von Berlin.

„Als wir dann irgendwann unser erstes Restaurant hatten, hat mein Mann einfach bestimmt, dass ich Küchenchefin bin und er Maitre und Sommelier“

Dann kam noch ein zweites Kind und ich bin ein Jahr später wieder arbeiten gegangen, diesmal im „Paris-Moskau„. Ich habe ein bisschen bei Veranstaltungen ausgeholfen und dabei meinen jetzigen Mann Peter kennengelernt. Wir haben viel zusammen gekocht und ich habe sehr viel von ihm gelernt. Als wir dann irgendwann unser erstes Restaurant hatten, hat mein Mann einfach bestimmt, dass ich Küchenchefin bin und er Maitre und Sommelier – was aber eigentlich auch klar war, denn ich hätte seinen
Job nicht machen können. Er ist der perfekte Gastgeber.

Beschreibe deine Küche mit eigenen Worten. Warum hast du dich auf diese Küche spezialisiert?

Meine Küche ist eine Produktküche: Frisch, überraschend und immer regional, wenn es möglich ist.

 

Wie ist deine Herangehensweise beim Kochen und an deine Küche?

Zuerst überlege ich: Was gibt es gerade für saisonale Produkte, die ich auf dem Teller haben möchte? Was passt am Besten dazu und was ist möglich von der Logistik und den Möglichkeiten her? Das heißt zum Beispiel: Kriege ich den Fisch, den ich haben will, auch noch nächste Woche in der gleichen Qualität? Ich koche diese Küche, da ich selber so am liebsten essen gehen würde.

„Ich koche diese Küche, da ich selber so am liebsten essen gehen würde.“

Wie ist die Geschlechteraufteilung in der Berliner Gastroszene aus deiner Sicht ?

Ich glaube in der zweiten Reihe stehen mehr Frauen, als man denkt, die alle einen riesen Job machen.

Hast du Erfahrungen außerhalb Berlins in der Gastronomie gesammelt?

Ich habe ein Praktikum im Vendôme bei Herrn Wissler gemacht und ansonsten sind mein Mann und ich
sehr interessiert, wie in anderen Städten und Ländern gegessen und gekocht wird.

Wie war dort die Geschlechteraufteilung?

Ich habe keinen Unterschied zu Berlin feststellen können

Wie vielen Chefköchinnen bist du in deiner Laufbahn begegnet?

Mehreren, da ich schon an einigen Damen Kochevents teilgenommen habe.

„Meiner Meinung nach gibt es aber mindestens genauso viele Frauen, die genauso gut kochen können, denen es aber nicht so wichtig ist an erster Stelle zu stehen.“

Was denkst du: Gibt es mehr oder weniger Frauen in dieser Position in Vergleich zu den Männern, die
als Chefkoch arbeiten? Und woran könnte es deiner Meinung nach liegen?

Es gibt eindeutig mehr Männer als Frauen in dieser Position. Meiner Meinung nach gibt es aber mindestens genauso viele Frauen, die genauso gut kochen können, denen es aber nicht so wichtig ist an erster Stelle zu stehen. Nach meiner Erfahrung sind Männer einfach ehrgeiziger und risikobereiter als Frauen. Insofern kann ich es meinem Mann verdanken, dass ich da bin, wo ich bin: Denn er hat mich die ganze Zeit nach vorne geschoben.

Wie viele der Chefköchinnen werden in den Medien vorgestellt im Vergleich zu den männlichen
Mitstreitern? (bitte denkt an Print, Radio, Tv)
Gibt es dafür eine Erklärung? Was denkst du darüber?

Ich habe da nicht wirklich den Überblick. Aber manchmal kommt es mir so vor, dass im Verhältnis auch mal die Frauen bevorzugt werden, da es halt nicht so viele gibt und es immer ganz cool ist, auch über eine Frau zu berichten – oder eine Frau mit in der Jury zu haben. Wobei es ja einfach viel mehr Männer gibt.
Aber wie gesagt, da kann ich auch falsch liegen, da ich mich zu wenig auskenne.

 

 

„(…) es wäre großartig, wenn es irgendwann egal wäre, ob da Mann oder Frau kocht.“

Wer inspiriert dich in deiner Tätigkeit als Chefköchin? Hast du Vorbilder/Idole? Nenne wenn möglich
bitte drei.

Vorbilder habe ich eigentlich nicht. Mich inspiriert mein Mann durch seine verrückten Ideen und Weine,
unsere Kinder mit ihren innovativen Gedanken und – nie zu vergessen – unser Team.

Wer sind die bessere Chefköche: Frauen oder Männer?

Ich finde, das entscheiden die Gäste. Und es wäre großartig, wenn es irgendwann egal wäre, ob da Mann oder Frau kocht.

Dieser Text stammt aus einem E-Mail Interview mit Sonja Frühsammer.

Wurden weniger von Frauen geführten Küchen in Berlin mit einem Stern ausgezeichnet, weil es weniger Frauen in leitenden Positionen in der Gastronomie arbeiten und also die Wahrscheinlichkeit auch niedriger ist, dass eine dieser Küchen mit einem Stern ausgezeichnet wird? Und wenn ja: Warum arbeiten weniger Frauen als Männer in der Küchenleitung? Arbeiten insgesamt weniger Frauen als Männer in den professionellen Küchen? Und ist dieser Frauenanteil genauso groß unter den Absolventen einer Kochausbildung ?

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Ich freue mich auf eine rege Debatte.

 

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